(Hasselbach) Es war die erste Großaktion der Friedensbewegung in der Region, es war vor allem das erste Mal, dass bundesweit der Hunsrück in den Blick der Diskussion um den
Nato-Doppelbeschluss geriet und die dortigen Proteste gegen die Stationierung von 96 Cruise Missiles in der Nähe von Hasselbach
überregional beachtet wurden. Und viele Hunsrücker
wurden in der Folge ermutigt, sich stärker gegen die
Nachrüstung zu engagieren.
Hasselbach. Im Oktober 1984 - vor 30 Jahren - gab es die Menschen- und Aktionskette für Frieden und Arbeit von Duisburg nach Hasselbach, Rhein-Hunsrück-Kreis. "Damals ist es gelungen, Hasselbach und den dort beginnenden Bauarbeiten für die Cruise-Missiles-Stationierung erstmals bundesweite Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit zu verschaffen", sagt Andreas Zumach (Genf) im Rückblick. Der Journalist gehörte zu der Zeit als einer der profiliertesten Köpfe dem Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung an.
Für ihn war wichtig, dass mit der Menschenkette zum ersten Mal eine bundesweit verantwortete Aktion in den Hunsrück hineinreichte, die viele Menschen in dieser Region ermunterte, sich gegen die
Nachrüstung zu engagieren. Pershings in Mutlangen waren bundesweit bekannt. "Der Hunsrück war damals nicht so im Blick in der Friedensdiskussion der 1980er-Jahre. Das Hauptaugenmerk galt eher den
Pershings in Mutlangen, das bundesweit deutlich mehr bekannt war", erzählt er. "Und der Hunsrück lag nicht nur etwas abseits der Aufmerksamkeit der Friedensbewegung, sondern auch abseits der
Wege", meint er schmunzelnd.
Gute Vernetzung
Die heutige Vorsitzende des Vereins Heidrun Kisters für friedenspolitische und demokratische Bildung war damals im Friedensbüro der Hunsrücker Friedensbewegung in Kirchberg, Rhein-Hunsrück-Kreis, tätig und war vor allem mit der Organisation dieser Aktion beschäftigt. "Es war ja für uns hier im Hunsrück das erste Mal, dass wir so was vorbereiten mussten", erinnert sie sich. Dabei habe sich aber gezeigt, dass die lokale Friedensbewegung bereits über gute Strukturen verfügte. "Es gab damals schon viele Stammtische überall im Hunsrück, die gut organisiert, aber auch vernetzt waren und daher mithalfen, dass alles klappte", erzählt Kisters.
Für sie selbst war es jedenfalls "eine total aufregende Zeit", meint sie im Rückblick. Noch gut in Erinnerung ist die Menschenkette bei vielen, die damals daran teilnahmen. Jutta Christ aus
Büchenbeuren und Renate Fuchs aus Unzenberg können sich auch 30 Jahre danach noch genau daran erinnern, wo sie in der Reihe standen. "Das war hinter Gödenroth auf der Hunsrückhöhenstraße",
erzählt Renate Fuchs. Und Jutta Christ erinnert sich noch gut daran, wie Horst Braun aus Kirchberg, der für die Organisation dieses Streckenabschnittes zuständig war, mit dem Motorrad immer
wieder die Kette abfuhr, um zu sehen, wo Lücken entstanden waren.
Viele Bürger blicken erstmals auf den Hunsrück. Auch für Jutta Dahl (Rothenberger Hof) ist die Menschenkette vor 30 Jahren mit besonderen Erinnerungen verbunden. Sie sprach damals als Vertreterin
der Hunsrücker Friedensbewegung auf der Abschlusskundgebung in Bonn. "Ich war schon aufgeregt, es war immerhin das erste Mal, dass ich vor so einer großen Menschenmenge eine Rede gehalten habe",
sagt sie. Eindrücklich schilderte sie dabei die Geschehnisse auf dem Hunsrück, seitdem im Dezember 1982 bekannt wurde, dass bei Hasselbach Marschflugkörper stationiert werden sollten.
Viele kamen in den Hunsrück
Wie unter dem Schutz der Polizei die Baustelle wächst, wie Zäune gezogen werden und das die Menschen im Hunsrück verändert. Worte, die bei den Zuhörern ankamen. "Nach der Rede kamen Menschen auf mich zu, die mir sagten, wie betroffen sie das Gehörte gemacht hätte", erzählt die Pfarrerin. In ihrer Rede lud sie die Friedensbewegung in den Hunsrück ein: "Kommt und schaut es euch an, schaut hin, damit euer Widerstand wach bleibt, dass ihr es nicht vergesst", hatte sie damals in Bonn gesagt. Und viele folgten dieser Einladung. Zwei Jahre nach der Menschenkette gab es die Großdemonstration in Hasselbach und Bell mit fast 200 000 Menschen. Die Menschenkette steht in ihrem Schatten, die Großdemonstration von 1986 ist stärker im Bewusstsein hängen geblieben. Und doch hätte es wahrscheinlich diese Aktion ohne den Erfolg der Menschenkette 1984 wohl nicht gegeben, vermutet heute Andreas Zumach. Das würde auch Heidrun Kisters so sagen: "Am 20. Oktober 1984 konnte in der bundesweiten Öffentlichkeit endlich deutlich gemacht werden, was im Hunsrück abgeht."
1984 machte der Filmepos "Heimat - Eine deutsche Chronik" den Hunsrück über die Grenzen der Region bekannt. Zur Menschenkette übermittelte Filmemacher Edgar Reitz den Teilnehmern ein
"Grußwort an die Hunsrücker". Darin hieß es: "Der Hunsrück, den Millionen Fernsehzuschauer als einen der schönsten und in seinen menschlichen Äußerungen liebenswerten Teil Europas kennengelernt
haben, ist absurderweise eine von Kriegsgerät und Vernichtungstechnik besonders heimgesuchte Landschaft geworden... So, wie Heimat für uns nicht mehr ein sentimentaler Ort ist, sondern eine
Sehnsucht, so ist Frieden kein Zustand, sondern etwas, was täglich geschehen muss." Im dritten Teil der "Heimat"-Trilogie setzte Edgar Reitz dann der damaligen Menschenkette auch ein filmisches
Denkmal.
Quelle: Trierischer Volksfreund
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